Was bedeutet für dich Realität?

Also für mich einmal die Trivialität des Alltags.

Zum anderen ist Realität für mich immer eine unbekannte Größe ich muss mich immer vergewissern, ob das was auf mich zukommt eine Art von Wirklichkeit hat, oder ob es etwas ist, was,  sich mir aufdrängt, politisch, gesellschaftlich, das muss ich erst für mich verifizieren, es existiert für mich nicht als ein „Fix Fertiges“ Gegenüber sondern als eine Überraschung.

Frage:  Was sind für dich die wichtigsten Bereiche von Realität..?

Die wichtigsten Bereiche sind für mich die Begegnungen. Das muss nicht nur personal mit Menschen sein, das ist auch wichtig, aber sie können auch im Lesen geschehen. Ich lese Romane und Erzählungen und lasse mich überraschen, was da auf mich zukommt, ich bin erstaunt und fasziniert manchmal entsetzt und nehme Dinge wahr, von denen ich niemals gedacht hätte, dass sie für meine Wirklichkeit von Bedeutung sind. Plötzlich sind sie da und bleiben bei einem und beginnen eine Rolle zu spielen. So geht es auch in der persönlichen Begegnung zu. Manche Menschen kennt man, manche nicht, manche gefallen einem und manche nicht, oder man erlebt Überraschungen, manche gefallen einem und dann machen sie den Mund auf und mein Interesse ist plötzlich weg, oder umgekehrt und plötzlich ist man erstaunt und wundert sich.

Frage:  Fällt dir sonst noch etwas zum Begriff Realität ein?

also ich denke, obwohl ich mich da nicht so gut auskenne, es gibt auch visuelle Realitäten und die werden ungeheuer dominierend, weil sie auch merkantil zugerichtet wurden von großen Firmen und Konzernen- und da ist immer die Frage: Will ich damit etwas zu tun haben? Einerseits ist es verlockend, andrerseits furchterregend, weil je mehr man sich damit einlässt, um so mehr gibt man von sich Preis und niemand fragt, ob man das möchte. Das wird in Zukunft eine große Diskussion geben und da geht es nicht darum, dass plötzlich etwas von mir auftaucht, sondern es geht darum , dass plötzlich Verbindungen über meine Realität hergestellt werden, in denen ich mich nicht wiederfinden kann und will. Da geht es um elementare Dinge, da geht es um Demokratie. Ob dieses Projekt aufgegeben wird, es geht um Menschenrechte. Das sind politische Fragen und ich halte es für wichtig, dass man die Politik nicht der Ökonomie zum Opfer bringt

Frage: Was bedeutet für dich der Begriff Vision?

Wenn ich von mir selber spreche ist die Lebensperspektive eine ambivalente Sache, da ich mich im letzten Drittel befinde und ich nie weiß, wann es vorbei ist, was nicht heißt, dass ich trotzdem Zukunftsvisionen habe.

Ich erhoffe und wünsche mir, dass ich noch viele intensive Begegnungen haben werde. Ob es Liebe ist oder ob man es Freundschaft nennen soll, es ist mir auf jeden Fall sehr wichtig, weil ich es als beglückend erfahre und weil ich einen gewissen Nachholbedarf habe, da mein Leben nicht so angereichert ist, dass da nichts mehr zu erwarten bleibt, sondern da kommen andere Dinge durch menschliche Begegnungen und da sind oft auch große Überraschungen dabei, weil man in solchen Begegnungen sich selber anders begegnet in neuen Schichten, Zügen und Dimensionen und das ist eigentlich das Interessante an solchen Begegnungen. Davon hoffe ich gibt es auch im letzten Drittel meines Lebens genug.

So geht es mir auch in der Begegnung mit Kunst da interessiert mich nicht so sehr der kunsthistorische Aspekt nach welchen Parametern ich irgendwelche Kunstwerke einreihen und etikettieren muss, was mich interessiert ist, dass bei der Betrachtung des Werkes irgendetwas passiert, als ob ich ein neues Auge aufschlage, das ich gar nicht hatte, plötzlich sehe ich etwas ganz anderes.

Das heißt nicht, dass ich dieses Werk im intellektuellen Sinne verstehe, sondern plötzlich schießt ein neuer Wirklichkeitspartikel auf mich zu und hilft mir die Welt wieder anders zu sehen, als ich sie bisher gesehen habe.

Das ist das Überraschende an den Werken der Kunst, aber auch in der Literatur, dass solche neue Realitätspartikel auf einen zukommen und zeigen, selbst wenn man eine pessimistische Grundeinstellung hätte, es ist noch nicht alles verloren, noch nicht ausgelutscht, es gibt immer neue Dinge, die können beängstigend sein, aber die können auch Hoffnung machen, dass man überhaupt in der Lage ist, etwas Neues zu denken, oder zu entdecken, und das ist etwas Hoffnungsvolles. Zum Stichwort Vision glaube ich nicht, dass irgend jemand, oder ich selber eine Idee hat, die es noch nie gegeben hat,  die sozusagen mit einem Wort die Welträtsel lösen kann, das halte ich für unrealistisch.

Vision heißt für mich einfach, dass einem etwas aufgeht, dass man sich überraschen lässt, und dann kommt eine neue Dimension in die Wirklichkeit hinein und das muss man natürlich ausprobieren, ob sie tragfähig ist.

Diejenigen, die so überzeugt sind von ihren Visionen, haben meistens beängstigende Schlussfolgerungen und da lässt man sich besser nicht darauf ein.

Vision ist für mich die Neugier, die Hoffnung und das Verlangen, dass die Welt viel größer ist, als wir es uns vorstellen und ahnen können

Möglicherweise hat es auch eine religiöse Dimension, aber da bin ich immer relativ zurückhaltend, weil man da sonst in einen prophetischen Sound hineingerät, der ungefähr so ist, wie der von den Visionen, von denen man in der Zeitung liest.